Natalie O’Hara im Interview: „Zuhause, Theater und TV“

Natalie mit dem Teddy aus
„Im Himmel ist kein Zimmer frei“
Quelle: Facebook N. O’Hara 11.11.17

Natalie, Du spielst mit „Geächtet“ bereits das vierte Stück an einer Stuttgarter Bühne. Inwieweit bezeichnest Du die Stuttgarter Bühnen als ein „Zuhause“?

Diese zwei Stuttgarter Bühnen, an denen ich spiele – Komödie im Marquardt und Altes Schauspielhaus – gehören zusammen. Das hier ist ganz besonders, weil die Kollegen alle so toll sind. Techniker, Maskenbildner, Garderobieren… Einfach alle sind so zauberhafte Menschen, dadurch ist es hier sehr mein Zuhause. Dann dekoriere ich meine Garderobe gerne, da ich viel Zeit dort verbringe, im Grunde ein wenig einziehe. Blumen gehören für mich immer in eine Theatergarderobe. Aktuell habe ich hier auch noch eine Herzlampe, die ich beim Ausmisten des Lampenlagers geschenkt bekommen habe, weil ich die einfach super fand (lacht) und den Teddy aus dem vorigen Stück „Im Himmel ist kein Zimmer frei“, der plötzlich in meiner Garderobe saß. Hier kümmert sich einfach jeder um jeden, und wir haben entsprechend Freiraum zum Arbeiten. Private Bühnen, die En-suite spielen, also die Produktionen mehrere Wochen lang am Stück wie ich es mag, gibt es gar nicht so viele, das sind zusätzlich besonders luxuriöse Bedingungen hier. Von daher hoffe ich sehr, dass ich auch weiterhin von den Stuttgarter Schauspielbühnen engagiert werde, und es mein Zuhause bleibt.

Deine Theater-Vorstellungen sind immer abends. Was machst Du tagsüber in Stuttgart?

Da sich mein Tagesablauf verschiebt, während ich Theater spiele, bleibt gar nicht so viel Freizeit. Nach den Auftritten bin ich erstmal fix und alle, gleichzeitig hellwach vom Adrenalin und brauche ein paar Stunden, um wieder runterzukommen, gehe entsprechend spät ins Bett und schlafe dann natürlich länger. Dann stehen so Sachen wie Büroarbeit, nötige Telefonate, Text lernen für andere Produktionen etc. auf dem Plan. Spazieren gehen, durch die Stadt laufen, auf die Hügel hoch und Sonne tanken, das ist noch ein super Ausgleich, genau wie das Klavierspielen hier im Theater (Anmerkung des Fanclubs: Im Orchestergraben steht ein alter Flügel, siehe Führung durch das Theater), das ich immer eine halbe Stunde bis Stunde jeden Tag versuche.

Du bist für die Proben und Auftritte immer ein paar Monate vor Ort. Inwiefern würdest Du die Stadt Stuttgart als ein „Zuhause“ bezeichnen?

Für mich ist Stuttgart so sehr mit den Schauspielbühnen verknüpft, dass ich die Stadt wahnsinnig gerne mag, weil’s mir hier so gut geht, und ich hier so tolle Leute habe. Den ganzen Schlosspark finde ich sehr schön und den super Blick von den Hügeln… Ich erlebe auch die Stuttgarter im Großen und Ganzen als ein sehr nettes Volk.

Natalie vor dem Wilden Kaiser
im Dezember 2016
Quelle: Facebook N. O’Hara 13.12.16

Der Wilde Kaiser: Wie ist es hier mit dem Heimatgefühl? Welcher ist Dein Lieblingsplatz am Wilden Kaiser?

Da ich da soooo lange schon bin… Vor allem jedes Jahr, wenn ich zum ersten Mal anreise, ist es wirklich so dieses „Aaaahhh, unser Tal, unser Berg – da ist er wieder…“ Da wir freischaffenden Schauspieler ja Vagabunden sind, werden diese Punkte, wo man eine Kontinuität hat, total wichtig und werden entsprechend auch getragen von den Menschen. In Ellmau freue ich mich immer auf das Personal im Hotel, das mich seit Jahren kennt, natürlich auf die Kollegen sowieso, klar. In Ellmau ist es halt was ganz Besonderes, weil es schon so lange so ist. Ja klar, das ist auch eine Heimat!
Meine Lieblingsplätze… Ich mag die Kapelle oberhalb von Ellmau sehr gerne. Die Terrasse vom Hotel liebe ich, weil man da so einen tollen Blick hat, und wir mit den Kollegen dort nach dem Dreh seit 11 Jahren oft zusammensitzen – quasi unser Platz, einer meiner Lieblingsplätze überhaupt. Natürlich liebe ich auch meinen Kirchplatz (lacht), den ich als „meinen“ Kirchplatz empfinde!

Schließlich Mallorca, seit einigen Jahren Dein richtiges Zuhause. Was ist für Dich der traumhafteste Ort oder Ausblick auf Mallorca?

Ja, so netto vier bis fünf Monate im Jahr bin ich Zuhause auf Mallorca. Die schönsten Plätze sind dann meine Terrasse, mein Bett, meine Couch, mein Klavier… (lacht) Aber empfehlen würde ich zum Beispiel Port de Sóller und Cap Formentor, das ist wunderschön. Am allertollsten finde ich die Küstenstraße, die von Andratx hoch nach Sóller führt, die ist so spektakulär und so wild. Man wird mit einem unfassbaren Blick ca. 800 Meter über dem Meer belohnt.

Natalie mit 10 Jahren in ihrer ersten Hauptrolle in der Märchenspielgruppe
Quelle: Facebook N. O’Hara 19.06.17

Kommen wir zum „Zuhause“ Theaterbühne zurück: Was haben Deine Eltern seinerzeit gesagt, als Du Dich für die Schauspielerei entschieden hast?

Ich war sieben Jahre, als ich beschlossen habe, Schauspielerin zu werden, nachdem ich das erste Mal im Theater war. Da verstand ich, dass es ein Beruf ist und habe mich fortan mit Ballettschule und Theaterspielen darauf vorbereitet. Als ich ca. 10 Jahre später „ernst“ machte, fanden meine Eltern das gar nicht witzig. Sie warnten mich und hätten es lieber gehabt, dass ich studierte: Psychologie oder Germanistik… Meine seinerzeitige Klavierlehrerin riet mir, darüber nachzudenken, ob es einen anderen Weg für mich gäbe, glücklich zu werden. Mir war schnell klar, dass ich nicht glücklich würde, wenn ich es nicht zumindest probierte im schauspielerischen Bereich. Meine Eltern verstanden es dann auch, und nach ein paar Jahren waren sie überzeugt, dass es das richtige ist, weil es mich eben total glücklich machte – und immer noch macht! Heute sind sie sehr unterstützend und stolz.

Wie sieht die Aufnahmeprozedur bei einer Schauspielschule aus, und was beinhaltet eine klassische Bühnenausbildung?

Ich war nicht auf einer klassischen Schauspielschule! Ich komme aus der kleinen Stadt Göttingen, dort gibt es das Deutsche Theater. Meine Eltern haben mir ein Abo geschenkt, als ich 16 Jahre war, weil sie der Meinung waren: „Dann guck‘ Dir aber auch an, was Du vorhast!“ Ich war ziemlich geschockt, diese Art Regietheater war nicht, was ich wollte. Ich dachte aber, das sei der einzige Weg, professioneller Schauspieler zu sein, Fernsehen konnte ich mir damals nicht vorstellen. Deshalb bin ich auf eine Musicalschule gegangen.
Dort gab es natürlich auch eine Aufnahmeprüfung, die über mehrere Runden lief. Da es aber eine Privatschule war, haben wir mit relativ vielen Leuten angefangen und mit einem Viertel der Leute aufgehört. An der staatlichen Schauspielschule fängt man mit acht bis zwölf Leuten an und hört auch mit acht bis zwölf Leuten auf. Bei uns war klar, dass jedes Jahr die Hälfte bei den Jahresprüfungen „fliegt“! Dieses Ausleseverfahren war so krass, dass Du Dich im Laufe des Jahres ständig beweisen und steigern musstest. Das war einerseits hart, auf der anderen Seite hat es mich gut auf die Realität des Berufs vorbereitet.
Die Frage, wie eine Schauspielausbildung aussieht, ist ein riesengroßes Thema. Aber kurz zusammengefasst: Sprechausbildung, Körperschule, Improvisation, Rollenarbeit, Monologstudium und an der Musicalschule noch ganz viel Tanz und Gesang.
Und die Ausbildung hört nie auf. Bis heute nehme ich immer wieder Unterricht in diesem oder jenem, mache Workshops und arbeite mit Coaches.

Nach Deiner bestandenen Ausbildung brauchst Du ja auch Rollen. Zum aktuellen Zeitpunkt, machst Du Dich bzw. macht Deine Agentur sich auf die Suche? Kommen die Theater auf Dich zu?

Im Jahr 2009 habe ich „Die 39 Stufen“ in Bonn gespielt. Davor hatte ich sechs Jahre kein Theater gemacht, da ich mich sehr auf das Drehen konzentriert hatte. Ich habe das große Glück, dass alles, was danach theatermäßig passiert ist, darauf aufbaut. Ich wurde gesehen und nach Frankfurt zu „Rain Man“ geholt. Der Intendant von den Schauspielbühnen in Stuttgart hatte die Inszenierung von „Rain Man“ gesehen und mich eingeladen, für „Auf und davon“ vorzusprechen. Die Rolle habe ich dann auch bekommen. Als Ergebnis der „Auf und davon“-Proben bekam ich die Zusage für „Minna von Barnhelm“ usw.

Aber vorsprechen musst Du ja auch, wie Du eben sagtest. Wie läuft denn ein Vorsprechen beim Theater ab?

Ja, manchmal! Schön wäre es, wenn alle potentiellen Schauspieler da wären, und man gleich sehen könnte, wer mit wem harmoniert. Aber das ist in der Regel leider nicht so, da ist dann das Feingefühl des Intendanten und des Regisseurs gefragt, nachdem sich alle einzeln vorgestellt haben.

Das Ensemble von „Geächtet“
Copyright: Schauspielbühnen in Stuttgart

Wie war das Vorsprechen für Deine Rolle der Emily in „Geächtet“?

Für diese Rolle habe ich nicht vorgesprochen. Der Intendant wollte mich gern für das Stück haben, und die wunderbare Regisseurin Karin Boyd konnte sich die Besetzung auch sehr gut vorstellen. Die Kollegen habe ich erst am ersten Probentag kennengelernt. Es ist ein Riesenglück, dass wir alle so gut harmonieren.

Wie wählst Du Deine Rollenangebote aus?

Das Stück muss mich ansprechen, es muss kribbeln, wenn ich es lese. Ich möchte 100 Prozent dahinterstehen können und verstehen, warum ich das spielen sollte. Ich brauche das auch, um die intensiven Spielmonate körperlich durchzuhalten, ich brauche diesen Kick, dass ich sage „Yeah, heute Abend darf ich wieder diese tolle Rolle spielen!“

Natalie mit ihrer Spielfamilie Mur in „Die Toten von Salzburg“
Quelle: Facebook N. O’Hara 30.06.17

Welche Drehs hattest Du 2017 neben dem „Bergdoktor“?

Ich war im Sommer bei „Familie Dr. Kleist“ sowie bei „Die Toten von Salzburg“ mit der Option auf Fortsetzung, außerdem hatte ich im Herbst bei „SOKO Stuttgart“ eine sehr spannende Rolle in einer Doppelfolge. Beim „Bergdoktor“ bin ich leider dieses Jahr nur wenig zu sehen, dafür habe ich diese schönen anderen Sachen gedreht.
Auch für 2018 habe ich eine beglückende Perspektive: Eine „Geächtet“-Tournee jetzt im Winter und eine im Herbst, den „Bergdoktor“ und eventuell „Die Toten von Salzburg“ ab Sommer. Insofern bin ich ein echtes Glückskind, da es an beiden Fronten gerade gut läuft.

Wie bereitest Du Dich auf Deine Rollen vor und wie lernst Du Deinen Text?

Text lerne ich vor allem für das Theater durch Abschreiben. Ich schreibe so lange ab, bis ich ihn kann. Ich vermeide es, mich abfragen zu lassen oder den Text aufzusagen, sondern möchte ihn zum ersten Mal mit den Kollegen wirklich sprechen.
Die Vorbereitung auf meine Rollen ist völlig unterschiedlich. In „Geächtet“ spiele ich eine Malerin, deswegen habe ich gezeichnet. Das Stück behandelt u. a. den Islam, so habe ich den Koran gelesen und mich mit islamischer Kunst beschäftigt. Man versucht, so viel wie möglich zu sammeln, damit das Leben, Denken und Fühlen der Figur klar ist. Ich habe z. B. bei „Um Himmels Willen“ die Mutter eines autistischen Kindes gespielt. Also habe ich mich mit der Mutter eines autistischen Kindes getroffen und bin mit ihr zu einem Selbsthilfe-Eltern-Treff gegangen. Für Susanne habe ich in einem Edel-Restaurant einen Abend in der Küche hospitiert, habe mir Karotten schneiden und andere Handgriffe beibringen lassen, weil es in Staffel 1 öfter Szenen in der Küche gab. Also sehr unterschiedliche Anforderungen je nach Rolle.
Die Vorbereitungen gerade für die Rolle in „Geächtet“ waren sehr intensiv, die Proben total irre. Ich habe alle privaten Termine abgesagt, mein Kopf und ich hatten keinen Raum mehr für anderes. Es hat sich aber gelohnt!

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